Indien: „Khazana“, eine Bank in den Händen arbeitender Kinder

Arbeitende Kinder haben mit Hilfe der ansässigen NGO Butterflies ihr eigenes Kredit- und Sparsystem entwickelt, welches 2001 offiziell als "Children's Development Bank/Khazana" Beachtung fand. Inzwischen ist die Bank mit einer Mitgliedschaft von über 6000 Kindern in mehreren Ländern Süd- und Südostasiens aktiv.

Obwohl Indien aufgrund wirtschaftlichen Wachstums zu den so genannten Schwellenländern der Welt zählt, leben dennoch unzählige Menschen in Armut. Dies trifft insbesondere auf jene zu, die der untersten gesellschaftlichen Kaste oder einer religiösen Minderheit angehören. Deren Kinder haben häufig keine Möglichkeit, die Schule zu besuchen, da sie täglich in Fabriken arbeiten oder zum Einkommen der gesamten Familie beitragen, indem sie auf den Straßen indischer Metropolen als Müllsammler*innen, Schuhputzer*innen, Träger*innen oder Verkäufer*innen ihr Geld verdienen. Da ihre Arbeit keinerlei gesellschaftliche Anerkennung findet und sich durch die nationale Gesetzgebung zumeist im Rahmen der Illegalität bewegt, werden die Kinder in ihrem Alltag von Erwachsenen oftmals ausgebeutet, vertrieben, misshandelt, beschimpft oder gar ihres geringen Einkommens beraubt.

Diesen Problemen zum Trotz, hat sich Mitte der 90er Jahre in Delhi erstmals eine Gruppe von arbeitenden Kindern zusammengeschlossen mit dem Ziel, ihr Schicksal von nun an selbst in die Hand zu nehmen. Dabei kristallisierte sich schnell heraus, dass nicht die Arbeit als solches ein Problem darstellte, als viel mehr die damit einhergehende Perspektivlosigkeit, bedingt durch den fehlenden Zugang zu öffentlichen Institutionen, in denen sie ihr auf der Straße erwirtschaftetes Geld sicher und langfristig aufbewahren können. Folglich haben die Kinder mit Hilfe der ansässigen NGO Butterflies ihr eigenes Kredit- und Sparsystem entwickelt, welches 2001 offiziell als “Children's Development Bank/Khazana“ Beachtung fand. Inzwischen ist die Bank mit einer Mitgliedschaft von über 6000 Kindern in mehreren Ländern Süd- und Südostasiens aktiv.

Als ein integraler Bestandteil im Leben dieser Kinder setzt sich die Struktur der Bank ausschließlich aus den Erfahrungswerten und Ideen ihrer Mitglieder zusammen. Die arbeitenden Kinder betrachten sich somit gleichermaßen als Zielgruppe und Bankbesitzer. Erwachsene (in Indien sind dies Mitarbeiter der NGO Butterflies) stehen den Kindern als Berater*innen zur Seite.

Jeden Abend in der Woche sammelt ein Kind, das „ehrenamtlich“ Aufgaben der Bank ausübt, das Geld der „Kund*innen“ ein, welches später auf das dafür extra eingerichtete Bankkonto der unterstützenden NGO eingezahlt wird. Die dort erbrachten Zinsen stehen den Kindern jederzeit zur Verfügung. Die Kinderbank orientiert sich allgemein an bereits existierenden Mikrofinanzierungsprinzipien, versteht sich aber im Gegensatz zu herkömmlichen Kreditinstituten als eine kooperative und nicht-profitorientierte Initiative, die ein höchstmögliches Maß an Transparenz und die Partizipation aller Mitglieder anstrebt. Zu diesem Zweck vertreten einige gewählte Kinder die Interessen Aller in wöchentlich stattfindenden Komiteesitzungen. Während dieser Sitzungen werden Probleme besprochen, interne Regeln aufgestellt und Kritiken geäußert.

Prinzipiell hat jedes arbeitende Kind im Alter von 9 bis 18 Jahren das Recht, ein Konto zu eröffnen. Auszahlungen erfolgen für den Erwerb von Schulmaterialien, zur Deckung anfallender Gesundheitskosten oder in Form eines Darlehens, um eine langfristige wirtschaftlich orientierte Aktivität finanziell anzukurbeln. Diese Kreditform wird Mitgliedern ab dem 15. Lebensjahr zugestanden. Bevor jedoch eine Auszahlung erfolgen kann, muss der eingebrachte Vorschlag zunächst vom Komitee geprüft und bewilligt werden, während zeitgleich mit dem Kreditnehmer ein realistischer Zeitplan vereinbart wird, in dessen Rahmen der Kredit einschließlich geringfügiger Zinsen zurückgezahlt werden soll.

Die Bank eröffnet den Kindern die einzigartige Möglichkeit, sich durch erspartes Geld in Zeiten der Not auszuhelfen und darüber hinaus beruflich weiterzuentwickeln. Sie lernen dabei auch, was es bedeutet, seine Rechte wahrzunehmen, Verantwortung für sich und andere zu tragen und sich aus eigener Kraft eine bessere Lebensgrundlage zu schaffen.

Links

Website der NGO Butterflies Child Rights (auf Englisch)

Facebook der NGO Butterflies Child Rights (auf Englisch)

Aktualisiert: 2008