Paraguay: Putschregierung und katholische Kirche greifen die Organisation arbeitender Kinder an!

PRESSEERKLÄRUNG von ProNATs e.V.:
Beim 10. Nationalen Treffen der Organisation der arbeitenden Kinder und Jugendlichen Paraguays (CONNATs), das am 15./16. März 2013 in Asunción stattfand, wurden die Delegierten massiv von Polizei und Geheimdienst sowie Vertretern der katholischen Kirche, in deren Räumen das Treffen stattfand, kontrolliert, behindert und bedroht. Dies geht aus einer Erklärung hervor, die die Organisation gemeinsam mit der Kinderrechtsorganisation Callescuela am 9. April veröffentlichte.

Offenbar werden die organisierten arbeitenden Kinder in Paraguay inzwischen, wie viele andere, die sich gegen die Regierung, die am 22. Juni 2012 durch einen Putsch gegen den gewählten Präsidenten Fernando Lugo an die Macht kam, und den staatlich gesteuerten Terrorismus wehren, als Subversive und Terroristen eingestuft und verfolgt.

Wir protestieren dagegen, dass den arbeitenden Kindern und Jugendlichen Paraguays das in der UN-Kinderrechtskonvention verbriefte Recht verwehrt wird, sich friedlich zu versammeln und ihre Meinung zum Ausdruck zu bringen. Wir fordern die deutsche Bundesregierung und die internationale Gemeinschaft (UNICEF usw.) auf, die amtierende Regierung Paraguays deutlich an ihre Verpflichtung zu erinnern, die Menschenrechte von Kindern ebenso wie die von Erwachsenen zu respektieren und zur verfassungsmäßigen Ordnung zurückzukehren. Von den Organisationen, die im Rahmen der katholischen Kirche tätig sind (CARITAS, Misereor u.a.) erwarten wir, dass sie bei der katholischen Kirche und der Regierung Paraguays im gleichen Sinne intervenieren.

Unsere vollständige Presseerklärung können Sie unten herunterladen.


Erklärung der Organisation der arbeitenden Kinder und Jugendlichen Paraguays (CONNATs)

„Noch singen, träumen und hoffen wir“

Unser 10. Nationales Treffen fand am 15. und 16. März 2013 im ehemaligen erzbischöflichen Seminar in Asunción statt. Der Ort wurde offiziell (mit Rechnung) über den Verwalter Jorge Torres gemietet, der zu Beginn Offenheit und Bereitschaft für die Vermietung der Räumlichkeiten zeigte. Diese umfassten den Salon Benedikt XVI., zwei Schlafräume im 3. Stock und einen weiteren großen Raum für den zweiten Tag des Treffens. Die Nutzung des Korridors für die Gruppenarbeit, der Küche, der Bäder sowie des Hofes für ein Lagerfeuer und eines Raumes für Karaoke war mündlich zugesagt worden.

Schon mit dem Beginn des Treffens begannen die Schwierigkeiten, denn in den Räumen, die an die Schlafsäle grenzten, feierte eine Gruppe von Erwachsenen eine Verabschiedung. Um jede Störung zu vermeiden, nutzten wir zur Gruppenarbeit, wie vereinbart war, den Korridor.

Nach dem Abendessen verließen wir, die arbeitenden Kinder und Jugendlichen (NATs), Mütter und Erzieher/innen, das Gebäude, um uns für die vorgesehenen unterhaltsamen Aktivitäten am Abend umzukleiden. Bei der Rückkehr fanden wir uns unvermutet vor einem verschlossenen Haupttor wieder. Wir baten darum, dieses zu öffnen. Nach den vorgesehenen Aktivitäten wollten die Teilnehmer ihre Räume und Toiletten nutzen, um sich wieder umzuziehen, wobei und es erneut zur unangenehmen Situation mit dem verschlossenen Haupttor kam. Erneut baten wir um Öffnung. In diesem Augenblick bemerkten wir bereits, dass der Verwalter sich nicht länger an die getroffenen Vereinbarungen halten wollte und uns jede Unterstützung verweigerte.

Die für das Gebäude Verantwortlichen waren der Ansicht, dass die NATs viel Krach machen würden und ständig in die Schlafräume wollten. Repräsentanten der Gruppe sprachen mit ihnen, um die Situation zu klären.

Während des Workshops am ersten Abend hatten die Gruppen die Aufgabe, an Hand eines Fragebogens zu diskutieren. Zum Abschluss der Diskussion fassten sie mittels eines Liedes oder einen anderen Darstellung ihre Schlussfolgerungen zusammen. Außerdem bereiteten die Gruppen eine Botschaft zur Unterstützung des bevorstehenden „Marsches der 9 Monate des Gemetzels von Curuguaty“[01] vor und formulierten Slogans, die sie auf der Demonstration rufen wollten. Vorher baten wir darum, eine Batucada (einen Samba-Tanz), machen zu dürfen und die Verantwortlichen der Einrichtung gaben uns die Anweisung, sie im Hof hinter dem Fußballfeld aufzuführen. Das wurde von uns akzeptiert.

Die Rückkehr zum Seminar

Nach der Demonstration vor dem Gebäude der Generalstaatsanwaltschaft wollten wir mit zwei gemieteten Minibussen an den Ort des Treffens zurückkehren. Zu unserer Überraschung wurden wir nun von Patrouillen der Nationalen Polizei bis zum Tagungsort verfolgt.

Die Kinder, Mütter und Erzieher/innen stiegen aus den Bussen und begaben sich ins innere des Tagungsortes, während einige der erwachsene Verantwortlichen der Veranstaltung ein kurzes Gespräch mit der Polizei hatten, die mehr über die Teilnehmer der Gruppe wissen wollten. Wer sind wir? Was machen wir? Wo halten wir uns auf? Viele Fragen, wie zu Zeiten der Stroessner-Diktatur (1954-89). Die Erzieher/innen erklärten ihnen, dass wir ein Treffen der Organisation der arbeitenden Kinder und Jugendlichen im ehemaligen erzbischöflichen Seminar hätten, wo wir uns befänden, und uns über die Rechte der Kinder austauschten. Ohne viel mehr zu reden, betonten die Offiziellen lediglich, dass wir dort bleiben sollen bis zum Ende des Treffens, um den „Schutz aller Teilnehmer zu gewährleisten“.

Am Tagungsort wurden wir vom privaten Sicherheitsdienst des ehemaligen Seminars empfangen, der uns zu verstehen gab, dass das Rufen politischer Parolen verboten sei und der Krach mit der Batucada nicht länger geduldet würde. Als die Sicherheitsleute eine rigorose Kontrolle der Gruppe verlangten, verwiesen wir auf unsere Rechte und machten darauf aufmerksam, dass es nicht zu den Aufgaben der Vermieter des Lokals gehöre, sich in die pädagogischen Fragen einzumischen.

Später drängten sie uns dazu das Licht auszumachen, ab 22 Uhr Ruhe zu halten und die Türen zu schließen. Der Nachwächter wurde beauftragt, die Türen mit Zugang zum großen Saal zu schließen und alle Lichter auszumachen.

Da ein Mädchen sich krank fühlte, brachten es ein Erzieher und eine Erzieherin zu einer Ambulanz. Sie wurde behandelt. Da die Rückkehrzeit vom Vermieter auf 23 Uhr festgesetzt wurde, konnten sie das Gebäude nicht mehr betreten und mussten in einer Unterkunft von Callescuela übernachten.

Es sollte angemerkt werden, dass wir während der gesamten Treffens kontrolliert und von fremden Personen überwacht wurden, die ständig in den Gängen umherliefen, unseren Slogans lauschten und die Arbeiten der Gruppe beobachteten. Am ersten Tag wurden uns zwei Papiere aus dem Raum, in dem die Erwachsenen arbeiteten, geklaut, die sich mit der Diagnostik von Sozialen Bereichen befassten. Dies zwang uns, den Plan der Aktivitäten zu ändern. Der Gesang der Wünsche und Hoffnungen wurde verschoben und die Karaoke abgesagt.

Was wir erlebten, zeigt, wie es seit dem Staatsstreich in unserem Land aussieht. Es sind subtile Praktiken der Repression entstanden gegen alle, die die bestehenden Regeln hinterfragen und kritisieren und wo eine Demonstration für die Rechte der Landarbeiter von Curuguaty als gefährlich für die Regierung und ebenso für die Hierarchie der katholischen Kirche gesehen wird.

Als Erzieher/innen und Begleiter/innen der arbeitenden Kinder fühlen wir eine starke Empörung und Traurigkeit über diese Situation. Die Jüngsten konnten sich nun in der Haut derer fühlen, die unter der Diktatur Stroessner aufwuchsen. Als Callescuela und CONNATS haben wir uns am 22. Juni 2012 vom Staatsstreich und dem Abbruch der demokratischen Entwicklung distanziert, wie auch später von der Ermordung der Landarbeiter und Polizisten in Curuguaty. Statt sich gegen diese Entwicklung zu wenden, hat sich die Hierarchie der katholischen Kirche in einer Weise verhalten, die sie für viele als Komplizen der neuen Diktatur erscheinen lassen. Ihr Verhalten zeigt, dass sie das Leben und das Glück der Schwächsten in unserem Land nicht interessiert.

Auf unserem Treffen haben wir deutlich gemacht, dass wir, die arbeitenden Kinder und unsere Betreuer/innen, die Verletzung unserer Rechte nicht schweigend hinnehmen, sondern öffentlich für sie demonstrieren wollen. Wir verlangen, in einem demokratischen Land leben zu können und alle politischen Gefangenen von Curuguaty freizulassen!

                                           !!! AUF ALLDEM BESTEHEN WIR !!!  

Fernando de la Mora
9. April 2013

Für Callescuela: Norma Duarte – Generalkoordinatorin

Für CONNATs: Gladys González; Matías Morínigo und Juan Pablino Insfran – Delegierte


[01] Am 15. Juni 2012 war es in der Provinz Curuguaty  zu einem Massaker an Landarbeitern gekommen, bei dem 11 Arbeiter und 6 Polizisten ums Leben kamen. Das Massaker diente als Vorwand für den Putsch. Im Dezember 2012 wurde einer der Hauptzeugen,  der Bauernführer Vidal Vega, von anonymen Killern ermordet.

Downloads

Vollständige ProNATs-Presseerklärung 

Original Presseerklärung von CONNATS (auf Spanisch)

Weitere CONNATS-Erklärung (auf Spanisch)

Weitere CONNATS-Erklärung (auf Spanisch)

Aktualisiert: 22.04.2013

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